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Sagen aus und um Kustrena
von Hilmar Frank © 1997 - 2013 by hfr@nk.de
Phule
Noch heute liegt am rechten Ufer der Saale zwischen Kustrena und Gröna ein
kleines idyllisches Waldgebiet. Es ist der Pfuhlsche Busch. Der Name geht
zurück auf eine sagenumwobene Burg, die in alten Zeiten hier stand.
Sie lag versteckt in dichtem Gehölz. Abgeschirmt von Flußschlingen der Saale
stellte sie ein fast uneinnehmbares Bollwerk dar. Moorrastige Bereiche im
Umfeld der Burg, von den Saalefluten gespeist und so ein Schrecken für alle
Wegeunkundigen, könnten zur Prägung des Namens geführt haben: die Burg
im Pfuhl, in alten Schreibweisen Poule, Pole, Pule, schließlich Phule.
Seit langem erinnern nur noch klägliche Reste von Wällen und Gräben an den
einstigen Glanz ritterlicher Anlagen. Aber das geheimnisvolle Flair
untergegangener Epochen scheint noch immer daran zu haften. Dem Dichter
Werner Bergengruen muß beim Anblick einer ähnlich wüsten Stätte das
beziehungsvolle Ahnen so stark ergriffen haben, daß er die Verse
schrieb (gekürzt):
Abseits in verlorner Richtung schwarz von Kiefern eingehüllt, stieß ich einst
auf eine Lichtung, öde von Gestrüpp erfüllt. Unter Wurzel schläft die Klage
wie in einem dunklen Schrein. Einst am jüngsten aller Tage wird auch er
geöffnet sein. Welche Klage der düsteren Burg im Pfuhle nachhallt, möge der
Rückblick in Sage und Geschichte vermitteln. Baujahr und Bauherren sind
unbekannt.
Erst ab 1162 nennen alte Urkunden die Burgherren. Es waren die Edlen von Struz
(Strauß), Herren auf Phule. Ihr Wappenschild zeigt namensbezogen den Vogel
Strauß. Auch eine Kapelle mit einer Glocke auf dem Türmchen umschloß die Burg.
Auf der Glocke war ebenfalls das Straußenwappen der Burgherren von Phule
eingeprägt. Die Glocke soll nach dem Untergang der Burg auf den Turm der
Kirche zu Gröna gekommen sein.
Nach dem Aussterben der Struze von Phule kamen die Ritter von Alsleben in den
Besitz der Burg. Sie sind bis 1372 als Burgherren auf Phule bezeugt.
Nahe der Burg an einer lichten Stelle des Busches befand sich auch ein
Finkenherd. Hier ergötzten sich die Burgherren wohl auch wie einst
König Heinrich I. am Vogelfang. Glockenklang und Finkenschlag, welche
Idylle schien die Burg im Busch zu umgeben.
Der letzte Burgherr auf Phule machte dies jäh zunichte. Er wurde zum
Raubritter. Mit einer Schar gewissenloser Gesellen hielt er die Gegend in
Schach. Die belebten Landstraßen von Magdeburg nach Halle, von Halberstadt
nach Halle wurden immer wieder heimgesucht. Auch die Saale konnten die
Raubgesellen mit wenig Mühe sperren. Der Ritter von Phule säte nicht mehr,
er erntete nur noch. Land und Leute im weiten Umfeld der Burg stöhnten
unter der endlosen Drangsal derer auf Phule. Die aber fühlten sich sicher
in ihrem Raubnest und keine Macht der Welt schien geschaffen, sie daraus zu
vertreiben.
Einst fiel dem Ritter von Phule ein Mädchen von wundersamer Schönheit in die
Hände. Es war die Tochter eines Kaufmanns, dessen Wagenzug man auf dem Weg
nach Halle ausgeplündert hatte. Der Ritter führte die Schöne auf seine Burg
und hoffte, sie zu seiner Geliebten zu machen. Doch sie widerstand. Da
erbot sich ein entlaufener Mönch, der mit den Raubgesellen gleiche Sache
machte, einen Liebestrank zu brauen. Das Mädchen wurde zum Kosten verleitet
und der Zaubertrank tat seine Wirkung. Sie schien wie verwandelt und der
Burgherr erlebte eine Liebschaft, die ihn über alles fesselte und die Welt
beinahe vergessen ließ.
Dies spürte auch die bisherige Geliebte des Herren auf Phule. Die hübsche
Tochter des Alslebener Müllers harrte nun vergebens auf die Besuche des
Ritters. Auch die geheime Pforte zur Burg im Gehölz, deren Zugang ihr wohl
vertraut war, blieb fortan für sie geschlossen. Wie in Betäubung kehrte sie
heim und schwor bittere Rache.
Indes hatten die Verwandten des Mädchens in Erfahrung gebracht, daß ihr
holder Sprößling noch am Leben war. Sie wandten sich an den Grafen von
Plötzkau und baten ihn um Vermittlung bei der Freilassung, für die sie
ein hohes Lösegeld boten. Der Graf von Plötzkau nahm sich der Sache an
und ließ dem Ritter von Phule eine entsprechende Forderung zukommen.
Schallendes Gelächter erscholl im Rittersaal auf der Burg Phule, als der
Mönch vor aller Mannschaft die Botschaft des Grafen verlas. Freilich, das
Geld hätten sie schon genommen, aber noch nie hatte Burg Phule eine Beute
wieder herausgegeben. Diesmal schon gar nicht, denn den Burgherrn lockte
die Liebe zu der Schönen mehr als alles Gold der Welt.
So formulierte er die Antwort kurz und klar: "Wer etwas aus Phule begehre,
müsse es sich holen !". Wieder tönte der Beifall durch die Hallen der Burg
und die rauhen Gesellen ließen die Becher kreisen. Sie machten aus der
Botschaft ihres Herren ein Fest.
Als der Graf von Plötzkau diese Antwort vernahm, fühlte er sich tief
verletzt in seiner Ritterehre. Er beschloß in stillem Groll, die Raubburg
zu vernichten. Lange fand er das Mittel nicht, doch harrte er mit Bedacht
auf bessere Tage. Die kamen, als ein eisiger Winter über das Land zog. An
einem sehr frühen Morgen, als bitterer Frost die Wasser der Saale und die
Moraste vor Phule mit Eis überdeckte, setzte der Graf von Plötzkau mit einer
Schar Bewaffneter über den Fluß. Mit sich führte er die Müllerstochter aus
Alsleben, die ihn bereitwillig auf geheimen Pfaden zur Burgpforte brachte.
Der Graf und seine Mannen nahmen die Raubburg im Sturm. Die Gesellen auf
Phule fuhren aus dem Schlaf, griffen nach den Waffen. Wer es noch konnte,
setzte sich mit grimmiger Verbissenheit zur Wehr, wohl wissend, daß sein
letztes Stündlein geschlagen hat. Mit dem Vorteil der Überraschung siegten
schließlich die Plötzkauer. Sofort hielt man Standgericht. Alle noch
lebenden Raubgesellen kamen an der Galgen. Dem Burgherren als Adligen
wurde das Recht auf Tod durch das Schwert gewährt. Er hatte bis zum Schluß
wie ein Löwe gekämpft, hatte den Tod gesucht. Doch sie wollten ihn lebend
und konnten ihn schließlich entwaffnen. Nun stand der Graf von Plötzkau
als Sieger vor seinem Feind und sprach das Urteil: "Enthauptung durch das
Schwert". Trotzig blickte der Burgherr auf. Düster schweifte sein Blick
umher. Schon wurde die Raubburg zerstört, schon legte man Feuer; Flammen
und Chaos überall. Da brach der Ritter von Phule sein stolzes Schweigen:
Das Mädchen, wo ist es? Rettet meine Liebste!" Der Graf von Plötzkau erblaßte.
Rasch befahl er, das Urteil zu vollstrecken. Über dem blutigen Geschehen
dieser Stunden hatte er den eigentlichen Anlaß des Unternehmens aus den
Augen verloren. Niemand hatte sich um die schöne Kaufmannstochter gekümmert.
Nun ließ sie der Graf von Plötzkau mit allen Kräften suchen. Die Raubburg
im Busch zu Phule aber endete in Trümmern und Flammen.
Als der Kampf in den Mauern tobte, verirrte sich der Verstand der
Unglücklichen. Wie im Wahn floh sie von der Burg und rannte den Lauf der
Saale nach Norden. Schließlich sank sie erschöpft zu Boden und tiefe
Ohnmacht umschloß sie ganz. So fand sie der Fischer des Nonnenklosters
St. Blasien bei Latdorf am Saaleufer. Erfüllt von Mitleid brachte er das
Mädchen zu den frommen Schwestern. Die pflegten die Fremde gesund.